Diese Fallstudie basiert auf einer Potenzialanalyse und beschreibt, wie durch Anwendung ganzheitlicher Leichtbaumethoden die Masse typischer gepanzerter Fahrzeuge – etwa zivile Schutzfahrzeuge – unter die kritische Führerscheingrenze von 3.5 t gesenkt werden können. Durch Kombination analytischer Methoden, CAD-basierter Funktionsstrukturanalyse und nichtlinearer FEM-Simulationen lassen sich signifikante Gewichtsreduktionen realisieren. Ziel ist die Optimierung von Fahrzeugstruktur, Interieur, Panzerung und Anbauteilen unter gleichzeitiger Beibehaltung der Schutzfunktion und Fahrdynamik.

Die Ausgangssituation
Ein führender europäischer Hersteller gepanzerter PKW und LKW strebt die Entwicklung eines neuen zivil zugelassenen Fahrzeugs mit ballistischem Schutz nach VPAM BRV an.
Die Herausforderung
Trotz Panzerung, Sonderausstattung und Sicherheitskomponenten darf die zulässige Gesamtmasse von 3.5 t nicht überschritten werden – ein entscheidendes Kriterium für Zulassung und Bedienbarkeit mit Führerscheinklasse B. Die Anforderungen umfassen den ballistischen Schutz (z. B. gegen 7.62 mm AP), Druckwellenresistenz, komfortgerechte Innenausstattung sowie Integration von Zusatzsystemen wie Kommunikation, Energieversorgung und Klimatisierung. Das typische Fahrzeuggewicht ohne Optimierung liegt bei über 4.2 Tonnen. Gefordert ist eine Reduktion um mehr als 700 kg. Dabei muss die Integrität gegen Stoß, Schock, Temperatur und Vibration sichergestellt bleiben.
Unser Ansatz gliedert sich in folgende Schritte:
- Systematische Funktionsstrukturanalyse mit Massenerhebung
- Anwendung von Potenzialklassen nach TGM (Primär-, Sekundär-, Tertiärmasse)
- Kategorisierung von Bauteilen nach Optimierungspotenzial (Technologie, Geometrie, Material)
- Topologie- und Topographieoptimierung für tragende Teile
- Multiphysikalische FEM-Simulationen (Impact, Crash, Dynamik, Thermik)
- Materialsubstitution (z. B. Stahl → Aluminium / Hybrid / UD-CFK)
- Aufbau eines Gewichtsmanagementsystems (Massenbuch, Ziel-Ist-Vergleich, Variantenbewertung)
Durch die Anwendung der genannten Methoden werden Gewichtseinsparpotenziale über 760 kg dargestellt.
Der entscheidende Beitrag kam aus:
- Strukturleichtbau durch Optimierung von Tragrahmen und Verstärkungen
- Substitution von Interieurträgern und Verkleidungselementen durch Hohlkammerprofile und Sandwichstrukturen
- Optimierung von Sitzkonfigurationen und Befestigungen
Das finale Fahrzeug erreicht ein Gesamtgewicht von 3.4 t inkl. Ballistikschutz und Zusatzsystemen. Die Schutzwirkung gemäß VPAM BRV 2009 VR7 wurde beibehalten.