Diese Fallstudie beschreibt die systematische Ableitung eines funktionalen Masseaufbruchs für einen mittelgroßen modernen Panzer. Im Fokus stehen typische Einsparpotenziale in der Entwicklungsphase, welche durch gezielte Maßnahmen in der System-, Struktur- und Werkstoffleichtbauweise erreicht werden können. Massemanagement und Massenkontrolle sind entscheidend für die Leistungsfähigkeit, Mobilität und Schutzwirkung von Gefechtsfahrzeugen.

Die Ausgangssituation
Im Rahmen einer Forschungsstudie für gepanzerte Fahrzeuge erfolgte die Untersuchung und ganzheitliche Optimierung der Gewichtsverteilung eines neuen mittleren Panzers (ca. 35 Tonnen). Ziel war die Erstellung eines funktionalen Masseaufbruchs zur Identifikation von Masse-Einsparpotenzialen über alle Leichtbaubereiche bei gleichzeitigem Erhalt der Leistungsanforderungen.
Die Herausforderung
Die größte Herausforderung bestand darin in einer frühen Entwicklungsphase, eine konsistente Zuordnung von Masseanteilen zu Funktionsgruppen (z. B. Antrieb, Fahrwerk, Bewaffnung, Schutzsysteme) zu gewährleisten. Zudem sollten Potenziale zur Gewichtseinsparung erkannt werden, ohne die funktionalen Anforderungen an Schutz, Mobilität und Wirkung zu kompromittieren. Besonderes Augenmerk lag auf der Balance zwischen struktureller Integrität, Schutzklasse und Mobilität gemäß STANAG-Vorgaben.
Die Vorgehensweise
Die Ableitung des funktionalen Masseaufbruchs erfolgt in mehreren Schritten:
- Klassifizierung aller Baugruppen nach Funktion und Integrationsebene.
- Anwendung von Systemersatzmodellen sowie Durchführung von Masseflussanalysen entlang der Systemstruktur.
- Bewertung jedes Moduls anhand von spezifischen Gewichtsfaktoren (kg/kW, kg/m², kg/Schutzniveau).
- Nutzung von Benchmarks bestehender Systeme (z. B. CV90, ASCOD) zur Plausibilisierung.
- Simulation potenzieller Reduktionsmaßnahmen unter Anwendung von Leichtbauprinzipien:
- Materialleichtbau (Ersatz von Panzerstahl durch Hybridverbunde, Untersuchung von Beschußsicherung durch Hybridverbunde aus bionischer Wölbstruktur.
- Strukturleichtbau (Kombinierte Topologie-/Topographieoptimierung von Trägerstrukturen).
- Systemleichtbau (Ganzheitliche funktionale Integration, z. B. aktiver Schutz in Tragstruktur).
Das Ergebnis
Der finale funktionale Masseaufbruch zeigt folgende Aufteilung:
Funktionsgruppe | Masseanteil [%] | Absolute Masse [kg] (bei 35 t) |
---|---|---|
Schutzsysteme | 32 | 11.200 |
Antriebssystem | 18 | 6.300 |
Laufwerk & Kette | 14 | 4.900 |
Waffenanlage & Munition | 10 | 3.500 |
Elektronik & Sensorik | 8 | 2.800 |
Struktur / Wanne & Turm | 18 | 6.300 |
Durch gezielte Maßnahmen konnten bis zu 3,4 Tonnen eingespart werden.
Literatur
- Hufenbach, W. et al.: „Leichtbau – Grundlagen, Werkstoffe, Fertigung“, Springer Vieweg, 2020
- Bundeswehr: Technisch-logistische Nutzungsdaten gepanzerter Fahrzeuge, 2021
- NATO STANAG 4569 – Protection Levels for Logistic and Light Armored Vehicles
- VDI 2221: Methodik zum Entwickeln und Konstruieren technischer Systeme und Produkte
- Leichtbauatlas Deutschland, Fraunhofer IWU, 2022